Beschluss: Abstimmungsergebnis:

Abstimmung: Ja: 10, Nein: 2

Sachverhalt:

(zuletzt Sitzung am 05.09.2012, lfd.Nr. 729.2)

Aufgrund tief greifender Veränderungen im Bereich des Personenstandswesens und gestiegenen Anforderungen an die mit diesen Aufgaben beauftragten Bediensteten haben sich der Marktgemeinderat und die Verwaltung in den vergangenen Monaten intensiv mit der Übertragung der Standesamtsaufgaben auf einen gemeinsamen Standesamtsbezirk der Kommunen Amorbach, Kirchzell, Schneeberg und Weilbach mit Sitz in Amorbach beschäftigt. Ziel dieser Kooperation im Interesse einer Stärkung der interkommunalen Zusammenarbeit ist eine Erhöhung der Effizienz und Qualität der Arbeit des Standesamtes sowie die Nutzung daraus entstehender Synergieeffekte. Die Zusammenlegung der Standesämter wird von der Standesamtsaufsicht beim Landratsamt Miltenberg begrüßt.

 

Mit der Übertragung werden die Standesämter der abgebenden Kommunen aufgelöst und gehen auf die aufnehmende Kommune über, welche auch die Haftung für übergebene Vorgänge übernimmt und ein eigenes Dienstsiegel führt. Alle bei den bisherigen Standesämtern vorgenommenen Dienstgeschäfte und Beurkundungen (z.B. Anzeige von Geburten und Sterbefällen, Anmeldungen zur Eheschließung, Namensänderungen, Kirchenaustritte, usw.) werden künftig vom neuen (gemeinsamen) Standesamt erledigt. Bei den übertragenden Kommunen verbleibt jedoch weiterhin die Möglichkeit der Durchführung von Trauungen durch den Eheschließungsstandesbeamten der jeweiligen Gemeinde (1. Bürgermeister und künftig auch weitere Bürgermeister).

 

Vertreter der vier beteiligten Kommunen haben in den letzten Wochen folgenden (gemeinsamen) Vereinbarungsentwurf nach dem Muster des vor mehreren Jahren gegründeten Standesamtsbezirkes „Südspessart“ in Stadtprozelten erarbeitet.

 

Öffentlich-rechtlicher Vertrag

zwischen der Stadt Amorbach,

vertreten durch den 1. Bürgermeister Peter Schmitt

und dem Markt Schneeberg,

vertreten durch den 1. Bürgermeister Erich Kuhn

 

zur Übertragung der Zuständigkeiten des Standesamtes auf den Standesamtsbezirk
„Amorbach / Bayerischer Odenwald“

mit dem Zuständigkeitsbereich für die Stadt Amorbach,

den Markt Kirchzell, den Markt Schneeberg

 und den Markt Weilbach

 

PRÄAMBEL

 

Im Interesse der Verbesserung der interkommunalen Zusammenarbeit und der Steigerung der Solidarität unter den Odenwaldgemeinden sowie der optimalen Ausnutzung von Synergieeffekten und damit einhergehender Kosteneinsparungen soll das Personenstandswesen in einem gemeinsamen Standesamt „Amorbach / Bayerischer Odenwald“ gebündelt werden.

 

Im Sinne einer vertrauensvollen Zusammenarbeit vereinbaren die Vertragsparteien dazu Folgendes:

 

§ 1 Standesamt Amorbach / Bayerischer Odenwald

Der Markt Schneeberg überträgt im Rahmen einer „großen“ Übertragung die Zuständigkeit seines Standesamtes an den Standesamtsbezirk „Amorbach / Bayerischer Odenwald“.

Dieser umfasst

a)      das Gebiet der Stadt Amorbach

b)      das Gebiet des Marktes Kirchzell

c)      das Gebiet des Marktes Schneeberg

d)    das Gebiet des Marktes Weilbach

Das Standesamt „Amorbach / Bayerischer Odenwald“ hat seinen Sitz in Amorbach. Zuständig für das Standesamt ist die Stadt Amorbach.

 

§ 2 Standesamtsumlage

(1)         Umlageerhebung

Die Stadt Amorbach als für das Standesamt „Amorbach / Bayerischer Odenwald“ zuständige Behörde erhebt aufgrund dieser Vereinbarung von dem umlagepflichtigen Markt Schneeberg eine Umlage zur Deckung der Kosten des Standesamtes.

(2)         Personalkosten

Die Personalkosten errechnen sich jeweils nach den zum 31.12. des Vorjahres gültigen Personaldurchschnittskosten für Beamte und kommunale Arbeitnehmer (jeweils veröffentlicht in der Fachzeitschrift „Die Gemeindekasse“), wobei für das Standesamt eine Stellenbesetzung von 0,82 angesetzt und diese zu 5 % auf den Leiter (Besoldungsgruppe A 13) und zu 95 % auf die Mitarbeiter (Entgeltgruppe 8 TVöD) verteilt werden.

(3)         Standesamtsspezifische Kosten

Kosten die ausschließlich für das Standesamt entstehen (Fortbildung, Fachliteratur, Vordrucke u. ä.) werden mit 0,45 € je Einwohner umgelegt.

(4)         Kosten für EDV

Die speziellen Kosten für die Fachanwendungen des Standesamtes werden nach dem tatsächlich entstehenden Aufwand umgelegt.

(5)         Investitionsumlage

Für das Standesamt notwendige Investitionskosten werden nach dem in Abs. 6 festgelegten Umlageschlüssel verteilt. Investitionen sind vor Auftragserteilung mit allen beteiligten Kommunen abzustimmen.

(6)         Umlageschlüssel

Die Umlage wird gemäß der vom Statistischen Landesamt für Datenverarbeitung zum Stand am 31.12 des Vorjahres ermittelten Einwohnerzahl verteilt.

(7)         Fälligkeit der Umlage

Die Umlage ist in voller Höhe am 01.07. eines Jahres für das laufende Kalenderjahr zur Zahlung fällig.

(8)         Schlichtungsstelle

Bei eventuellen Streitigkeiten vereinbaren die Vertragsparteien die Anrufung des Landratsamtes Miltenberg als neutrale Schlichtungsstelle

 

§ 3 Laufzeit und Kündigung

(1)               Diese Vereinbarung gilt ab dem 01.01.2013 auf unbestimmte Zeit. Die Übertragung bedarf der Zustimmung des Landratsamtes als unterer Aufsichtsbehörde (Art. 2 Abs. 5 AGPStG).

(2)               Eine Kündigung ist in schriftlicher Form beim jeweils anderen Vertragspartner und abschriftlich zur Kenntnis beim Landratsamt Miltenberg einzureichen. Die Kündigungsfrist beträgt ein Jahr zum Ende eines Kalenderjahres. Die Kündigung bedarf eines Aufhebungsbeschlusses mit der gesetzlich vorgeschriebenen Mehrheit des Gemeinderates und der Zustimmung des Landratsamtes als unterer Aufsichtsbehörde (Art. 2 Abs. 4 und Art. 5 Abs. 5 AGPStG).

(3)               Kündigungsberechtigt sind sowohl die umlageerhebende Stadt Amorbach als auch der umlagepflichtige Markt Schneeberg.

(4)               Die umlageerhebende Stadt Amorbach hat darüber hinaus das Recht auf außerordentliche Kündigung zum 31.12 eines Jahres, wenn neue gesetzliche Regelungen zu einer Aufgabenmehrung führen, deren Finanzierung durch die aktuelle Standesamtsumlage nicht gedeckt werden kann.

 

§ 4 Eheschließungen

(1)               Eheschließungen können in der abgebenden Gemeinde weiterhin von den vom Gemeinderat ernannten Eheschließungsstandesbeamten vorgenommen werden.

(2)               Die abgebende Gemeinde verpflichtet sich, die Ernennung oder Abberufung von Eheschließungsstandesbeamten dem übernehmenden Standesamt anzuzeigen.

(3)               Die Widmung weiterer Trauräume in der abgebenden Gemeinde erfolgt in Abstimmung mit dem übernehmenden Standesamt.

 

§ 5 Schlussbestimmungen

(1)               Ergänzungen oder Änderungen dieser Vereinbarung bedürfen der Schriftform.

(2)               Diese Vereinbarung ist in dreifacher Ausfertigung erstellt. Jede Vertragspartei sowie das Landratsamt Miltenberg erhalten eine Ausfertigung.

(3)               Salvatorische Klausel

Sollten einzelne Bestimmungen dieser Vereinbarung unwirksam sein oder werden, wird dadurch die Gültigkeit dieser Vereinbarung insgesamt nicht berührt. Unwirksame Bestimmungen sind im Sinne des Vereinbarungszwecks umzudeuten oder zu ergänzen. Das Gleiche gilt, wenn sich eine regelungsbedürftige Lücke herausstellt.

 

Aus der Umlagenregelung des Vereinbarungsentwurfes ergibt sich nach dem derzeitigen Stand für das Jahr 2013 eine Personalkostenumlage in Höhe von 3,79 € je Einwohner zuzüglich der Umlage für die standesamtsspezifischen Kosten in Höhe von 0,45 € pro Einwohner, sowie der Kosten für den EDV-Support und die Ablöse an den Freistaat Bayern für die Kosten der Softwareentwicklung für das elektronische Personenstandsregister in Höhe von geschätzten 0,55 € pro Einwohner. Die Umlage für das Jahr 2013 würde daher 4,79 € je Einwohner betragen. Bei dieser Umlage sind die sonst üblichen Büroarbeitsplatzkosten nicht berücksichtigt. Diese Kosten würden vollständig von der Stadt Amorbach getragen, nachdem diese im Vergleich zu den anderen Gemeinden eine erheblich höhere Anzahl an Personenstandsfällen aufweist und ihr künftig die Einnahmen aus den Standesamtsgebühren zufließen.

 

Zusätzlich wäre für das Jahr 2013 noch eine Investitionskostenumlage für die Erstausstattung des neuen Standesamtes festzusetzen, die auf 0,48 € pro Einwohner geschätzt wird.

 

Aus diesen Berechnungen ergeben sich für das Jahr 2013 folgende Umlagebeträge:

 

Amorbach                                           3.914 Einwohner                                             18.748,06 €

Kirchzell                                              2.291 Einwohner                                             10.973,89 €

Schneeberg                                      1.787 Einwohner                                             8.559,73 €

Weilbach                                             2.241 Einwohner                                             10.734,39 €

 

Hinzu käme für den Markt Schneeberg eine einmalige Investitionskostenumlage in Höhe von 857,76 €.

 

Die Verwaltung empfiehlt, auf der Grundlage vorstehender Vereinbarung, die Aufgaben des Standesamtsbezirkes Schneeberg auf das künftige Standesamt „Amorbach / Bayerischer
Odenwald“ mit Sitz in Amorbach zu übertragen und gleichzeitig der Vereinbarung über die Übertragung der Aufgaben zuzustimmen. Es wird darauf hingewiesen, dass für diesen Beschluss die Mehrheit von 2/3 der gesetzlichen Zahl der Mitglieder der Gemeinderäte der übertragenden und der aufnehmenden Gemeinde erforderlich sind.


Beschluss:

Der Marktgemeinderat beschließt die Übertragung der Aufgaben des Standesamtes des Marktes Schneeberg auf das künftige Standesamt „Amorbach / Bayerischer Odenwald“ mit Sitz in Amorbach und stimmt dem von der Verwaltung vorgelegten Entwurf über die Vereinbarung zur Übertragung der Aufgaben des Standesamtes des Marktes Schneeberg auf das Standesamt „Amorbach / Bayerischer Odenwald“ mit Sitz in Amorbach zu unter der Bedingung, dass alle vier Kommunen dem Beitritt zustimmen.


Diskussionsverlauf:

Es entwickelt sich eine sehr lebhafte Diskussion, bei der die Notwendigkeit einer Auflösung des bisherigen Standesamtsbezirks Schneeberg erneut in Frage gestellt wird. Durch Schaffung immer größerer Hürden von oben würden kleine Gemeinden nicht mehr in die Lage versetzt, ihre Standesämter selbständig zu führen. Man dürfe sich nicht alles bieten lassen. Anstelle der in Erwägung gezogenen Zusammenschlüsse von Standesämtern sollten vielmehr praktikable Sonderlösungen für kleine Gemeinden geschaffen werden, um deren Überleben zu ermöglichen.

 

Bürgermeister Kuhn zeigt sich von den Äußerungen überrascht, nachdem gerade diese Fragen in mehreren zurückliegenden Sitzungen erschöpfend beraten wurden und man zu dem Ergebnis gekommen war, dass es unter den gegebenen Umständen und aufgrund der personellen Situation des Marktes Schneeberg keine praktikable Alternative zu dem angedachten Standesamtsverbund der Kommunen Amorbach, Kirchzell, Schneeberg und Weilbach gebe. Um die Anforderungen an ein eigenständiges Standesamt zu erfüllen, müssten Sachausgaben sowie personelle Neu- und Umbesetzungen in erheblichem Umfang mit hohen zusätzlichen Kosten getätigt werden, was alleine aus wirtschaftlichen Gründen den Bürgern nur schwer zu vermitteln wäre. Auf eine Kraftprobe mit den vorgesetzten Behörden dürfe man es auf keinen Fall ankommen lassen.

 

Mehrere Gemeinderäte unterstützen die Ausführungen des Bürgermeisters. Niemand sei über die Auflösung des eigenen Standesamtes glücklich, jedoch könne man sich bei nüchterner Betrachtung den bestehenden Sachzwängen und wirtschaftlichen Gegebenheiten nicht verschließen. Zudem dürfe man nicht vergessen, dass die eigenständige Führung des Standesamtes Schneeberg aus personeller Sicht schon seit vielen Jahren nur mit Ausnahmeregelungen geduldet wurde, welche künftig nicht mehr aufrecht erhalten werden können.

 

Mit dem Hinweis an alle Gemeinderäte, dass man sich über die Konsequenzen im Klaren sein müsse, falls ein Beschluss mit zwei Drittel Mehrheit nicht zu Stande kommt, unterbricht der Vorsitzende die Sitzung für etwa fünf Minuten, um den Fraktionen nochmals intern die Gelegenheit zum Gedankenaustausch zu geben. Danach gelangt die Angelegenheit zur Abstimmung.